Der Bundesgerichtshof (BGH) hat mit Urteil vom 22.04.2004 entschieden, dass es wettbewerbswidrig ist, wenn ein Angestellter die Kunden seines Arbeitgebers unter Verwendung des Adressenmaterials seines Arbeitgebers anschreibt und auf die Tätigkeit für seinen neuen Arbeitgeber hinweist. Ein solches Verabschiedungsschreiben ist jedenfalls dann wettbewerbswidrig, wenn der Angestellte den bislang von ihm betreuten Kunden für das bisher entgegengebrachte Vertrauen dankt und direkt oder indirekt (z. B. durch die Angabe seiner privaten Adresse und Telefonnummer) auf seine zukünftige Tätigkeit für einen Wettbewerber hinweist. Dieses Urteil dürfte auch auf Versicherungsvermittler anwendbar sein, da diese unter wettbewerbsrechtlicher Sicht ähnlichen Verpflichtungen gegenüber ihrem Unternehmer unterliegen wie Angestellte. Das Urteil stellt entscheidend darauf ab, dass die Interessen des Arbeitgebers dadurch verletzt wurden, in dem Adressenmaterial zweckwidrig und zielgerichtet verwendet wurde, um Kunden des Arbeitgebers abzuwerben. Allein die formale Verabschiedung gegenüber den Kunden konnte nicht darüber hinwegtäuschen, dass der Hintergrund des Schreibens die Mitnahme der Kunden zum neuen Arbeitgeber war.
Man wird daher bei dem Einsatz eines “Verabschiedungs- bzw. Wechselschreibens” folgende Punkte berücksichtigen müssen:
So lange der Vermittler noch bei der Vorgesellschaft unter Vertrag ist (wobei unter Umständen auch ein Freistellungszeitraum gemeint sein könnte), dürfte ein Verabschiedungsschreiben an seine bisherigen Kunden grundsätzlich nicht mehr zulässig sein. Einzige Ausnahme wäre wohl, wenn in diesem Schreiben ausdrücklich darauf hingewiesen wird, wer zukünftig für die Betreuung des Versicherungsnehmers zuständig ist, nämlich die Nachfolgeagentur des Vermittlers der Vorgesellschaft.
In Betracht kommt daher nur noch ein Schreiben, das an die Kunden versandt wird, sobald der Vermittler bei der zukünftigen Versicherungsgesellschaft unter Vertrag ist. Ab diesem Zeitraum ist es grundsätzlich zulässig, dass der Vermittler Wettbewerb – auch gegenüber der Vorgesellschaft und in seinem vorherigen Bestand – betreibt.
Hier taucht aber ein anderes Problem auf: Der BGH hat wiederum entschieden, dass die Kundendaten ein Betriebs- und Geschäftsgeheimnis des Versicherers darstellen. Diese Daten (gleich in welcher Form) sind bei Beendigung des Vertrages an den Versicherer herauszugeben.
Zu den Kundendaten zählen auch Daten, die selbst angefertigt worden sind und die in die persönlichen Unterlagen gekommen sind (angereicherte Kundendaten bzw. erweiterte Akquisedaten). Eine weitere Verwendung dieser Kundendaten stellt einen Verstoß gegen § 90 HGB und gegen § 17 UWG dar, der Schadensersatzforderungen der Vorgesellschaft nach sich ziehen und sogar strafbar sein kann.
Der Vermittler darf Kundendaten aus einer früheren Tätigkeit nach ganz überwiegender Auffassung jedoch dann verwerten, soweit diese allein aus seinem Gedächtnis (Gedächtnisrechtsprechung) stammen. Der Vermittler darf zwar seine bisherigen Kundenkontakte weiter nutzen, d. h. er darf auch grundsätzlich die von ihm betreuten Kunden anschreiben. Dies darf aber nicht unter Verwendung von Kunden- bzw. Bestandsdatenlisten erfolgen. Es ist also Vorsicht geboten!
Für die Praxis spielt hierbei natürlich die Frage der Beweisbarkeit eine wichtige Rolle. Der bisherige Versicherer muss den Beweis führen, dass Kundendaten vom Vermittler zum Zwecke des Wettbewerbs verwendet wurden. Es wird daher darauf ankommen, das Risiko der Nachweisbarkeit für den Vermittler zu minimieren. Deshalb ist folgendes zu beachten:
Es darf kein flächendeckendes Rundschreiben an die bisherigen Kunden versandt werden. In diesem Rundschreiben darf kein Bezug (also kein Vergleich) auf die Tarife der Vorgesellschaft genommen werden.
Beide Vorgehensweisen könnten den Nachweis im Streitfall für den Vorversicherer erleichtern. Deshalb folgende Hinweise zur Vorgehensweise:
Zulässig ist, dass der Vermittler nach Vertragsende mit seinem bisherigen Versicherer den ihm im Gedächtnis gebliebenen Kunden bekannt gibt, dass er sich von seinem bisherigen Versicherer getrennt habe, die Kunden in allen Fragen rund um ihren Versicherungsschutz auch weiter in gewohnter Qualität bedienen könne, sich auf einen Ausbau der vertrauensvollen Kontakte freue, als Vermittler einer neuen Versicherungsgesellschaft ein breites Angebotsspektrum an Versicherungs-, Bauspar- und Investmentprodukten anbieten könne. Ein Musteranschreiben, das bei der Fertigung eines individuellen Anschreibens eine Hilfe geben soll, stelle ich gern zur Verfügung. Das Muster ist aber sicherlich nicht als Freibrief zu verstehen. Es kommt ganz wesentlich auf die oben beschriebene Handhabung an. Bei der Kontaktaufnahme mit Kunden des Vorversicherers ist es daher empfehlenswert, so genau wie möglich zu dokumentieren (Vermerk), dass bei Werbung dieses Kunden keine Daten aus der früheren Tätigkeit verwendet wurden. Dies kann auch unter Einbeziehung des Kunden erfolgen, indem der Kunde bestätigt, dass der Kontakt von seiner Seite aus hergestellt wurde (Muster stelle ich gerne zur Verfügung). Der Vermittler wird notfalls auch nachweisen müssen, dass er die erweiterten Akquisedaten vom Kunden förmlich erneut nach Aufnahme seiner Tätigkeit bei dem neuen Versicherer mitgeteilt bekommen hat.